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Was wünsche ich mir!

Eine Weihnachtsgeschichte.

Als Kind war immer mein größter Wunsch eine Puppe zu besitzen. Die Zeiten waren schwer, das Geld war knapp und wurde für wichtige Dinge wie Lebensmittel, Miete und Nebenkosten gebraucht.

Meine Eltern erfüllten mir meinen Wunsch und nach meiner ersten, von meiner Mutter selbst genähten Stoffpuppe, bekam ich aus zweiter Hand eine Puppe aus lackiertem Pappmaché. Sie war groß und schön, ich war glücklich. Meine Mutter konnte gut nähen und so hatte die Puppe immer schöne Kleider, die ich wechselnd anzog. Ich wusste für die schöne Puppe keinen rechten Namen, der zu ihr passte. Mein Vater half mir, er sagte: „Nenn sie Sonja nach der Eiskunstläuferin Sonja Henie, sie hat so schöne Beine und ich könnte sie mir als Eiskunstläuferin gut vorstellen.“ Den Namen trägt sie heute noch, die schöne Sonja.

Ein paar Jahre später sah ich, dass das Haar nicht so recht passte, jetzt wünschte ich mir vom Christkind echte Haare in Form von Zöpfen für meine Sonja. Mein Wunsch war schon etwas ausgefallen, ich zweifelte schon, ob das Christkind ihn mir erfüllte. Aber ein Christkind konnte doch alles, also hoffte ich sehr.

Heute weiß ich, da waren selbst meine Eltern etwas überfordert. Das Friseurgeschäft in unserem Ort wurde eingeweiht und hier entstand durch handgefertigtes Knüpfen einer Perücke, das neue Haar für Sonja. Aber jetzt passierte ein Unglück, bei dem vielen Anprobieren rutschte die Puppe vom Schoß der Handwerkerin und der Kopf zerbrach in viele Stücke. Nun war guter Rat teuer. Jetzt musste sich die Chefin des Friseurgeschäftes etwas einfallen lassen. Man sprach auch mit meinen Eltern, denn die Kosten würden steigen und mussten übernommen werden. Das Friseurgeschäft entschloss sich, den Großteil des neuen Kopfes zu übernehmen, der Kopf sollte aus Tortulon, dem Material der Schildkröt-Puppen, sein. Als Gesellenarbeit würde man die Arbeit beurteilen lassen, so musste sich die Angestellte viel Mühe geben. Als alles fertiggestellt war, sah die Puppe ganz anders aus, aber auch sehr schön.

Aber was würde am Weihnachtstag ihr Kind sagen, fragten sich meine Eltern?

Es wurde ein schönes Weihnachtsfest, ich war so glücklich, die langen Zöpfe und der schöne Kopf waren wunderbar. Noch heute steht Sonja in meinem Wohnzimmer, auch mein Mann hat Sonja akzeptiert und findet sie passt genau in unserer Wohnung und zu uns. Wir lieben sie beide und freuen uns jeden Tag, dass Sonja bei uns ist.

Dann passierte im letzten Jahr im Herbst wieder ein Unglück. Ich wollte Sonja neu anziehen, die getragene Kleidung musste gewaschen werden. Der Pappmaché-Körper war schon etwas verschlissen und der Draht, der die Arme festhielt, war in den Körper gerutscht. Ich dachte: „Ziehe das Kleid lieber über den Kopf aus.“ Diese Entscheidung war ganz schlecht, denn ich musste etwas ziehen und schon hatte ich den Kopf in der Hand.

Mein Herz klopfte schnell, ich konnte das Unglück kaum fassen. Als ich mich wieder gefangen hatte beruhigte ich mich. So lange, bestimmt 70 Jahre und mehr hatte ich Sonja bei mir gehabt, da musste ja einmal Schluss sein. Meinem Mann teilte ich die traurige Nachricht mit. Er sagte: „Wir haben doch in Velbert am Klinikum die Puppenklinik von Dagmar, dort bringen wir Sonja zur Heilung hin“. „Lohnt sich hier denn noch eine Reparatur,“ fragte ich. „Natürlich,“ sagte mein Mann, „sonst bleibt der Platz auf ihrem Stuhl doch leer und Du schaust jeden Tag traurig darauf.“

Der Weg hatte sich gelohnt, nach 10 Tagen rief Dagmar an und sagte: „Sonja ist gesund, sie möchte wieder nach Hause kommen.“

Rose Goldmann, Oktober 2025


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